Von Mythen und Fakten in der Fotografie
Auch in der Fotografie halten sich viele Mythen sehr hartnäckig. In diesem Artikel möchte ich mit ein paar dieser Mythen aufräumen, und mal erklären, was wirklich Sache ist. Gerade diese Falschaussagen widersprechen meiner Meinung nach den tatsächlichen Gegebenheiten. Sie verhindern, dass Du es schaffst, Deine Fotografie aufs nächste Level zu bringen, und Dich weiter zu entwickeln. Diese Mythen zu entzaubern, und Dir einige unbequeme Wahrheiten eröffnen, das möchte ich mit diesem Artikel.
1.Tolle Fotos sind mit jeder Kamera möglich!
Echt jetzt? Wenn das so wäre, dann wäre die Kamera-Industrie schon längst bankrott.
Warum bleibst Du dann nicht einfach bei der Handy-Fotografie? Wahrscheinlich hast Du Fotos gesehen, die Du auch gern würdest machen können, aber Du hast dann gemerkt, dass das mit dem Handy eben nicht geht.
Es gibt einfach gewisse Minimal-Anforderungen an eine Kamera um in die Lage zu kommen, Fotos mit Wow-Faktor zu machen. Folgendes sollte also Deine Kamera schon können:
Blende und Verschlusszeit, ISO, Weißabgleich und Belichtungskorrektur einstellen. Außerdem verschiedene Belichtungs- und Programm-Modi. Wenn Deine Kamera diese Grundeinstellungen hat, dann brauchst Du auch nicht jedes Jahr eine Neue zu kaufen (hier mal wieder ein kleiner Hinweis auf meine schwäbische Natur…)
Fazit:
Für Fotos mit Wow-Faktor braucht es eine „vernünftige“ Kamera!
2. Stativ ist eine Spaßbremse, lästig, und beeinträchtigt Deine Kreativität
Manche und vor allem besondere Fotos sind ohne Stativ schlicht und ergreifend nicht möglich. Dazu gehören vor allem Nachtaufnahmen und Langzeitbelichtungen. Auch bei Makros tue ich mich schwer ohne Stativ. Aufnahmen mit Filter kannst Du sowieso vergessen. Mir persönlich hilft das Stativ auch beim „Runterkommen“ und „achtsam“ vorzugehen. Es hilft mir, nicht hektisch zu werden, und erstmal die Szenerie auf mich wirken zu lassen. Ich mag mein Stativ*!
Fazit:
In vielen Bereichen der Fotografie ist ein Stativ unerlässlich für Fotos mit Wow-Faktor. Freunde Dich also mit Deinem Stativ an!
Tipps dazu findest Du in unserem Blogartikel: Unsere Ausrüstung – Equipmentkauf für Schwaben
Das Foto vom EZB-Tower in Frankfurt habe ich 3 Min. belichtet – ohne Stativ? Absolut unmöglich!
Du möchtest die Details scharf kriegen bei Makro-Aufnahmen? So gut wie unmöglich ohne Stativ!
3. Bildbearbeitung ersetzt „achtsames“ Fotografieren
Ehrlich – nee. Diese Aussage:
Was man da noch rausholen kann (- also mit der Bildbearbeitung)
verursacht bei mir Magenschmerzen. Ein schlechtes Foto ist und bleibt ein schlechtes Foto, da hilft auch Photoshop nicht. Ich mache lieber nur wenige Bilder, aber die dann mit Mühe und Hingabe. Fotos, über die ich mich freue, und auf die ich stolz bin. Schließlich ist das Fotografieren mein Hobby, und nicht die Bildbearbeitung.
Mit Fotos, wo beispielsweise ein Filter* korrekt eingesetzt wurde, erzielst Du eine ganz andere Bildwirkung als mit den digitalen Filtern von Lightroom oder Photoshop. Klar, das Handling ist nicht ganz einfach (die blöden Dinger sind nicht nur teuer, sondern gehen auch noch kaputt beim Runterfallen…)
Außerdem kann keine Bildbearbeitung der Welt das Erlebnis ersetzen, wenn Du am frühen Morgen bei Sonnenaufgang in der Natur unterwegs bist. Und auch die Fotos werden zumindest für Dich einzigartig sein.
Fazit:
Mach Deine Fotos mit der Kamera, nimm Dir Zeit und gib Dir Mühe – es lohnt sich! Denn: Ein schlechtes Foto ist und bleibt ein schlechtes Foto! Daran kann auch Photoshop nichts ändern!
4. Du brauchst nur eine gute Kamera, dann machst Du auch automatisch gute Fotos!
Schön wär´s! Immerhin war Fotograf mal ein dreijähriger Ausbildungsberuf, heute kann man sogar einen Bachelor in Fotografie machen. So einfach scheint es also doch nicht zu sein – man denke dabei mal an die 10.000h-Regel. Die besagt kurz gesagt, dass man etwa 10.000h Übung braucht um bei einer Sache Meister zu werden.
Wissen schlägt Ausprobieren und Intuition um Längen. Man stelle sich mal folgende Situation vor: Du stehst mit Deiner Kamera auf Island beim Sonnenaufgang an einer der (teuren) Topp-Locations. Das Licht wechselt quasi ständig, da die Wolken vom Wind vor die Sonne geblasen werden. Diese Situation in Kombination mit den zig Einstellungsmöglichkeiten Deiner Kamera + den diversen Perspektiven… das ergibt deutlich mehr Kombinationsmöglichkeiten als beim Lotto (bei 6 aus 49 sind das ca. 14 Millionen). Bedenke nun noch den Zeitdruck, schließlich ist der Sonnenaufgang ruckizucki vorbei! Da schlägt Wissen Intuition und Ausprobieren um Längen!
Das zeigt übrigens auch, dass die Angst vor Nachmachern der eigenen Fotos ziemlich unbegründet ist, zumindest was Outdoor-Fotografie anbelangt.
In diesem Zusammenhang macht es auch durchaus Sinn, das langweiligste Buch der Welt zu lesen – die Bedienungsanleitung Deiner Kamera. Wobei das noch nicht das Schwierige daran ist – man sollte sie auch Verstehen! Und das setzt dann voraus, dass ich weiß, wo ich hin will. Die Bedienungsanleitung hilft nur dann, wenn ich weiß, was ich will, und dann in Erfahrung bringen möchte, wie ich das mit meiner Kamera erreichen kann. Also muss ich mich im Vorfeld mit den Grundlagen der Fotografie beschäftigen, und auch mit der entsprechenden Fachterminologie etwas anfangen können.
Fazit: Eine teure Kamera ist kein Ersatz für Know-How.
5. Leider, leider – Fotografie ist ein teures Hobby!
Auch wenn es am Anfang immer heißt: Du brauchst noch keine teure Ausrüstung…Spätestens wenn Du Eisbären auf Spitzbergen fotografieren möchtest, oder die schon mal erwähnte Foto-Safari nach Afrika auf Deiner Löffelliste steht, wird es Dir bewusst:
Dieses Hobby kann ins Geld gehen!
Mit Know-How und Erfahrung tauchen immer häufiger Wünsche nach neuem Equipment auf. Dafür gibt es sogar einen Fachausdruck: Equipment-Aquisition-Syndrom (= Ausrüstungs-Erwerbs-Syndrom, kurz AES)
Jede Art von Urlaubsreisen wird als (Hobby-)Fotograf deutlich teurer.
Warum ist das so?
Wir persönlich haben keinen Spaß daran, zusammen mit Nicht-Fotografen an einer Bustour / Kaffeefahrt teilzunehmen. Mag sein, dass wir die gleichen Locations ansteuern, aber eben zu ganz anderen Uhrzeiten. Den Zeitdruck, wieder rechtzeitig beim Bus sein zu müssen, den wollen wir nicht haben. Also muss ggf. ein Mietwagen bezahlt werden. Halbpension im Hotel macht auch keinen Sinn, da die Sonnenaufgangs- und -Untergangszeiten selten mit den Essenszeiten des Hotels kompatibel sind. Solltest Du keine Lust auf Selber-Kochen im Camper oder der Ferienwohnung haben, und jeden Tag 2mal ins Restaurant gehen, dann wird’s halt teuer.
Organisierte Fotoreisen habe ich bisher noch nicht mal erwähnt (außer der Safari und dem Eisbären-Shooting). Wenn ich mir da die Preise von seriösen Anbietern (wie diese Schweizer Firma) anschaue, dann bekomme ich einen Schweißausbruch.
Fazit:
Egal, wie wir es drehen oder wenden wollen: die Fotografie ist ein teures Hobby, wobei die Natur- und Reisefotografie in diesem Bereich nochmal deutlich eine Schippe drauf legt.
6. Schuster, bleib bei Deinen Leisten – oder: Fotograf, bleib bei deinem Genre!
Diesen gut gemeinten Rat hört man oft. Die Begründung klingt im ersten Moment recht plausibel. Man würde sich ansonsten verzetteln, und in all den verschiedenen Genres immer nur mittelmäßig werden. Man wäre dann nie so richtig gut in einem Genre, heißt es da.
Echt jetzt?
Ich denke, man sollte immer wieder mal raus aus seiner Komfortzone, und etwas Neues ausprobieren. Das fördert zum einen die Kreativität, erweitert den Horizont und es ist einfach spannend. Immer das Gleiche fotografieren wäre mir auf Dauer einfach zu langweilig. Sowieso – Reisefotografie umfasst mehr als nur Landschaften und Co. Wenn ich ein Gebiet vorstelle, möchte ich es nicht nur auf ein Genre (z.B. die dortige Natur) reduzieren, sondern auch Land und Leute, Kultur, Essen, Städte usw. zeigen.
Fazit:
Raus aus der Komfortzone, und mach mal was Anderes, Neues! Erweitere Deinen Horizont, und lerne beispielsweise mit dem Schreckgespenst „Blitz“ umzugehen, mache Street- oder Astrofotografie.
7. Es gibt keine Fotogruppen!
Oder doch? Es wurden schon Gruppen von Menschen beobachtet, die mit Stativen und Kameras bbewaffnet gemeinsam durch die Gegend gezogen sind. In der Regel intensiv in Gespräche vertieft – aber Fotografieren? Hat man im besten Fall mal so´n bisschen versucht. Versteht mich nicht falsch, aber die besten Bilder machen wir, wenn wir allein (in unserem Fall zu zweit) unterwegs sind.
Ansonsten kommt uns die Vorgehensweise unserer GDT-Regionalgruppe RG13 sehr entgegen: Wir treffen uns für ein gemeinsames Wochenende. Es findet ein Austausch z.B. über mögliche Locations statt, ggf. werden Fahrgemeinschaften gebildet. Zum Fotografieren zieht dann jeder auf eigene Faust bzw. nach Absprache gemeinsam mit Freunden los. Danach trifft man sich dann zum gemeinsamen Essen und Austausch.
Grundsätzlich ist Fotografie eher nicht kompatibel mit den nicht-fotografierenden Familienmitgliedern und Freunden. Da stößt man auf wenig Verständnis für den Fotografen, der nicht in der Lage ist, mal schnell seine Fotos zu machen. Wie kann man auch zwei Stunden um eine Blume rum kriechen?!
Den Verscheuchungs- und Zertramplungsfaktor bei Gruppen bzw. kleinen Kindern in Zusammenhang mit Naturfotografie habe ich noch nicht mal erwähnt.
Da sind wir echt privilegiert: wir teilen das für uns tollste Hobby der Welt. Einziger Nachteil: Wir brauchen viele Ausrüstungsgegenstände doppelt – wo wir dann wieder bei Punkt 5 wären.
Fazit:
Zieh lieber allein los – dann machst Du die besten Fotos. Du kannst Dich dann wirklich auf die Fotografie, die Szenerie und Dein Motiv einlassen.
8. Je größer die Anstrengung, um so besser die Bilder
Wozu das denn?
Muss ich tatsächlich stundenlang mit schwerem Equipment (möglichst noch im Dunklen vor Sonnenaufgang) in unbekanntem Terrain unterwegs sein, um tolle Fotos zu machen? Tatsächlich lässt es sich nur schwer auf einem Foto erkennen, wie groß die Entfernung zum Parkplatz oder der Unterkunft ist. Die unter Punkt 4 genannten Faktoren sind (unter anderem) ausschlaggebend für den Wow-Faktor eines Fotos. Wenn ich fix und fertig bei der hochgelobten Location ankomme, kann es zumindest mir passieren, dass ich keine Energie mehr habe, mich wirklich aufs Fotografieren einzulassen. Heutzutage ist es dank diverser Apps für Fotografen leicht möglich, gute Locations ausfindig zu machen, die ohne Schlepptouren erreichbar sind! Wobei das mit dem „leicht“ nicht so ganz stimmt. Mit einer App wie PhotoPills oder Viewfindr muss man lernen umzugehen. Aber dann hast Du die Chance auf Fotos mit Wow-Faktor!
Fazit:
Nutze Apps wie Photopills und Viewfindr um tolle Locations zu finden. Dann sind keine Schlepptouren nötig für Wow-Fotos!
Welche Fotografie-Mythen kennst Du, und auf welche bist Du schon reingefallen? Ich freue mich auf einen Austausch!
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